16 Rechtliches/ legal information » zu Impfungen

Letzte Änderung: 17.02.2022 um 19:24 Uhr

Wer Anspruch auf eine Impfung gegen SARS- Cov-2 in Deutschland hat regelt grds. die Corona- Impfverordnung (CoronaimpfV).

In den folgenden Ausführungen werden juristische Fragestellungen die sich aus der Regelung  innerhalb einer Verordnung (anstelle innerhalb eines Gesetzes) ergeben nicht angesprochen. Der Bundesgesundheitsminister hat - unter vielfacher Kritik - unter Übergehung des Parlaments - von seinem recht aus § 5 IfSG Gebrauch gemacht und das Impfverfahren in der CoronaImpfV - und nicht mittels Gesetz mit besonderen Härtefallklauseln - geregelt. Jedenfalls könnten die in der CoronaimpfV getroffenen Priorisierungen dem Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG nicht standhalten und würden ein Parlamentsgesetz erfordern.

Es können auch innerhalb einer Impfgruppe bestimmte Personen im Einzelfall bzw. als Härtefall vorrangig berücksichtigt werden. Dabei sind aktuelle infektiologische Erkenntnisse, die Empfehlungen der STIKO und die örtliche Situation zu berücksichtigen.

Die Empfehlungen der STIKO wurden seit Erscheinen im Dezember 2020 bereits einmal im Januar 2021 aktualisiert bzw. ergänzt. Die Empfehlungen der STIKO weichen von der Festlegungen der CoronaImpfV ab. Insbesondere für jüngere Personen mit Vorerkrankungen und deren engste Kontaktpersonen ist die Abweichung teils sehr wesentlich. In der 2. Aktualisierung der STIKO Empfehlungen zur Coronaimpfung vom 29.01.2021 wird ausdrücklich festgehalten, dass bei der Priorisierung innerhalb der COVID-19- Impfempfehlung der STIKO können nicht alle Krankheitsbilder oder Impfindikationen explizit genannt werden konnten. Es obliegt daher den für die Priorisierung in den Bundesländern Verantwortlichen, in Einzelfällen Personen, die nicht ausdrücklich im Stufenplan genannt sind, angemessen zu priorisieren. Dies betrifft z.B. Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen oder auch schweren Behinderungen, für die bisher zwar keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz bzgl. des Verlaufes einer COVID-19-Erkrankung vorliegt, für die aber ein deutlich erhöhtes Risiko angenommen werden muss. Dies trifft auch für Personen zu, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder nicht mehr gleich wirksam geimpft werden können (z.B. bei unmittelbar bevorstehender Chemotherapie). Darüber hinaus sind Einzelfallentscheidungen möglich, wenn berufliche Tätigkeiten bzw. Lebensumstände mit einem nachvollziehbaren, unvermeidbar sehr hohen Infektionsrisiko einhergehen. Diese Öffnungsklausel darf nicht missbraucht werden, um ungerechtfertigterweise eine Impfung durchzuführen und somit stärker gefährdeten Personen die Impfung vorzuenthalten.

Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Ethikrats zur Frage der Impfpriorisierungen. Ungleiche Gefährdungslagen rechtfertigen nicht nur eine unterschiedliche Versorgung - dies erfordert sogar eine ungleiche Versorgung. Bei einer höheren Gefährdung einer Person ist es aus Gründen der Gerechtigkeit angemessen, diese Person prioritär zu impfen. Gerechte Priorisierungsentscheidungen richten sich dabei nach der Dringlichkeit des vorbeugenden Gesundheitsschutzes. Entscheidend ist eine erhöhte Wahrscheinlichkeit im Falle einer Erkrankung intensivmedizinische Behandlung zu benötigen, schwerwiegende bleibende Schäden zu erleiden oder zu versterben. Rechtlich zulässige Priorisierungsentscheidungen müssen formalen und prozeduralen Mindestanforderungen genügen und der aktuellen und kontinuierlich aktualisierten medizinnisch- naturwissenschaftlichen Faktenlage basieren.

Bei zu treffenden Einzelfallentscheidung wird es auf die medizinischen Grunderkrankungen, deren Therapie, Krankheitsstadium usw. im jeweils konkreten Fall ankommen. Es wird darauf zu achten sein, welche gesundheitlichen Risiken bei einer Virusinfektion bestehen. Dabei wird u.a. zu berücksichtigen sein, ob ein Anspruchsteller die Möglichkeit hätte Risikokontakte zu vermeiden und weitere Schutzmaßnahmen einzuhalten, bzw. welche Auswirkungen es hätte wenn zur Risikominimierung Kontakte weiter eingeschränkt würden - bzw. umgekehrt welche medizinisch indizierten Behandlungen erst nach einem Schutz gegen eine Covid- Erkrankung (wieder) möglich sind. Auch sind teilweise Impfungen aufgrund anderer Behandlungen nur in medizinisch vorgegebenen Zeitfenstern möglich - hier ist zu prüfen welche Folgen das "Verpassen" des nächstmöglichen Zeitfensters hätte bzw. wann erst eine erneute Impfmöglichkeit bestünde. Eine Entscheidung hat anders auszufallen, wenn zeitnah mit einer - nicht im Einzelfall priorisierten - Impfung zu rechnen ist, als wenn es nicht zumutbar ist, noch längere Zeit auf einen Impftermin zu warten.

Grundsätzlich für die Terminvergabe zuständig sind die Kreise/ kreisfreien Städte, nicht das Bundesland. Der Impfanspruch ist gegenüber der örtlich zuständigen Gesundheitsbehörde zu verfolgen. Das zuständige Gesundheitsamt muss klären, ob Personen über die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission hinaus einen Anspruch auf vorrangige Impfung hätten und ob im Hinblick auf bislang nicht berücksichtigte Vorerkrankungen eine Einzelfallentscheidung über die Regelungen der Coronavirus- Impfverordnung hinaus zu ermöglichen sind.

Rein praktisch haperte es leider gewaltig an der Umsetzung medizinisch begründeter Einzelfallentscheidungen durch die für den Wohnort zuständigen Gesundheitsämter.

Es war damit zu rechnen, dass hier einige streitige Gerichtsverfahren vor den verschiedenen Verwaltungsgerichten durchprozessiert werden müssen und es bleibt zu hoffen, dass durch rechtzeitige Entscheidungen vermeidbare zusätzliche medizinische Schäden für die sowieso vorbelasteten Personen ausbleiben. Dabei waren Eilentscheidungen zu treffen. Angesichts der zeitlichen Komponente gebietet das grundgesetzlich verankerte Recht auf Leben einen Anspruch auf eine Schutzimpfung, wenn eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann. Statische unausgewogene Priorisierungsvorgaben ohne Berücksichtigung von Einzel- und Härtefällen verstoßen gegen das Grundgesetz. 


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